in Mannheim
Nach unten scrollenMit seiner Entlassung als Dozent der Klasse für Lithografie 1952 endete für Rödel nicht nur die Zeit in Halle, seine Arbeiten erlebten mit dem Umzug nach Mannheim im darauffolgenden Jahr auch inhaltlich und technisch einen extremen Bruch. Rödel experimentierte nicht nur mit neuen Druckverfahren, das Figürliche seiner Arbeiten löste sich zunächst schrittweise auf und die Farbe rückte in den Vordergrund.
Von 1953 an lebt und arbeitet Karl Rödel in Mannheim. Ein Vierteljahrhundert am Odenwald. Nach ersten Enttäuschungen kann er dort endlich Fuß fassen und sich ein kreatives Umfeld aufbauen. Er erhält, mitunter auf Empfehlung großer Meister, wie Gerhard Marcks, Aufträge für Mosaike, Kirchenfenster oder Wandbilder, die man heute noch im Stadtbild, z.B. als Eingangsportal der St.-Antonius-Kirche, finden kann.
1954 gründet er die Kunstschule Mannheim-Ludwigshafen, die unter seiner Leitung mit stetig wachsender Schülerschaft alle Grundlagen der theoretischen und praktischen Arbeit für freischaffende Künstler vermittelt.
Same but different
Text zur Einzelausstellung vom 17. Oktober bis 5. Dezember 2015 bei Galerie e.artis in Chemnitz
Wer mit der Kunst von Karl Rödel vertraut ist, denkt zunächst an die figürlichen Druckgrafiken, deren Farbpalette bei den dunkleren Tönen angesiedelt ist und den Bildern Melancholie, Zerbrechlichkeit und Trauer einhaucht. Trotz ähnlicher Stimmungen greift Rödel auf ein vielfältiges Repertoire an Szenerien zurück, die gerade durch die Mystik und die dunklen Farben etwas Erzählerisches und ab 1947 etwas theaterhaft Inszeniertes mit sich bringen. Meist sind die Stimmungen und Gedanken der dargestellten Personen für alle offen dargelegt und verbergen sich nicht in der Tiefe der Oberfläche – im Gegenteil, der Betrachter wird direkt mit den Gefühlen und Empfindungen konfrontiert. Das Repertoire von Karl Rödel, der in erster Linie von der Vielfalt der bekannten Burg Giebichenstein in Halle an der Saale beeinflusst wurde, ist von großer Mannigfaltigkeit in Technik und Form geprägt. Neben dem engen Zusammenhalt der Hallenser Künstlergemeinschaft, die maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung von Rödel genommen hat, prägten ihn seine nicht minder bekannten Lehrer wie die Maler Charles Crodel und Erwin Hahs, der Schriftkünstler Herbert Post sowie der Bildhauer Gerhard Marcks. Diese vielfältige Ausbildung von Rödel und das unersättliche Interesse an seiner Umwelt und der Gesellschaft führte dazu, dass die frühen Arbeiten von Rödel trotz ihrer farblichen Reduziertheit reich an Motiven und unterschiedlichen Druckverfahren waren.
Umbruch
Mit seiner Entlassung als Dozent der Klasse für Lithografie 1952 endete für Rödel nicht nur die Zeit in Halle, seine Arbeiten erlebten mit dem Umzug nach Mannheim im darauffolgenden Jahr einen scheinbar inhaltlichen und technischen Bruch. Rödel experimentierte nicht nur mit neuen Druckverfahren, das Figürliche seiner Arbeiten löste sich zunächst schrittweise auf und die Farbe rückte in den Vordergrund. Rödel wandte sich von den bisherigen dunklen Farben ab und wandte sich kräftigen roten und blauen Tönen zu. Die Farbpalette blieb auch in der anfänglichen Zeit in Mannheim auf wenige Grundfarben reduziert, wurde jedoch wesentlich kräftiger, heller und erfrischender. Farbe und Materialität beginnt eine wesentliche Rolle in den 1960er Jahren zu spielen. Wenig verwunderlich, wenn man sich die divergierenden Kunstströmungen in Ost- und Westdeutschland anschaut. Während die realistische und figürliche Malerei von der Propaganda des Sozialismus vereinnahmt wurde, sollte die Abstraktion Freiheit und Fortschritt durch den Kapitalismus zum Ausdruck bringen. Demzufolge orientierten sich die Künstler im Westen an abstrakten Kunstrichtungen – eine Tendenz, der sich auch Karl Rödel nicht entziehen konnte, um sich in Mannheim ein Standbein aufzubauen und unter den „neuen“ Künstlerkollegen zu etablieren.
Wer jedoch behauptet, dass dieser Bruch zur Einfältigkeit in Rödels Arbeiten aufgrund der reduzierten Farbpalette geführt hat, der irrt sich. Der Künstler erweiterte sein vielschichtiges figürliches Repertoire auf eine völlig neue künstlerische Ebene, die von äußeren Umständen geprägt wurde. Und zugleich zeichnete sich – nicht zuletzt wegen des Einflusses der Burg Giebichenstein – das handwerkliche Geschick kombiniert mit der malerischen Kreativität in seinen Werken der Mannheimer Zeit ab. Demzufolge verband Rödel druckgrafische Verfahren mit typografischen Elementen mit abstrakter Malerei und teilweise auch mit Collagen. Eine Kombination, die nicht ohne den Einfluss aus Halle und seinem bisherigen künstlerischen Weg entstehen konnte, und seine abstrakten Bilder von denen der westlichen Kollegen unterscheiden ließ.
In der Ausstellung same but different wird zudem ein weiterer Aspekt des handwerklichen Könnens hervorgehoben und bewusst im Originalzustand belassen: Die Rahmungen sind vom Künstler selbst gefertigt und auf die jeweilige Malerei abgestimmt. Besonders bei den großen Formaten wird deutlichen wie viel Wert Rödel auf die komplette Gestaltung vom einzelnen Druck über jeden Pinselstrich bis hin zur Rahmung gelegt hat. Die Galerie legt darauf Wert dem Käufer den Originalzustand zu präsentieren und dem Erwerber eine professionelle Aufarbeitung und Neurahmung anzubieten.
Same but different
Wenngleich Rödel der Grafik in abgewandelter Form treu blieb, entwickelte er seine Technik weiter und eignete sich das sogenannte Metalldruckverfahren an. Dieses Verfahren ermöglichte Rödel die Farbe fast schon pastos auf den Träger aufzubringen. Seine Drucke erhielten dadurch einen unikaten Charakter, was die Besonderheit dieses Verfahrens und die Einmaligkeit seiner Grafiken betont. Durch den entstandenen Farbverlauf ins Dreidimensionale fügte Rödel seiner Kunst die Komponente der Materialität hinzu – ein wichtiges Kriterium der abstrakten Malerei.
Nur durch sein unersättliches Interesse an der Umwelt gelingt es Rödel in seiner persönlichen Umbruchzeit eine ganz neue Formensprache zu entwickeln. Der Künstler schafft mit wenig Farbeinsatz ein vielschichtiges Werk. Dieser Wandel und die Offenheit für neue Einflüsse kommen einem „Befreiungsschlag“1 von der Sehnsucht nach Halle und dem ungewollten Verlust seiner Künstlergemeinschaft gleich.
So divergierend sein künstlerisches Schaffen in Halle und Mannheim auch scheinen mag und seine Malerei sich gewandelt hat, ist er kein Künstler, der mit unterschiedlichen Stilen experimentiert2.
„Auf jeder Stufe seines Schaffens erforscht Rödel mit gleichsam handwerklicher Sorgfalt und Akribie seine malerischen Möglichkeiten und entwickelt daraus konsequent einen nächsten Schritt zu einer neuen bildnerischen Ausdrucksmöglichkeit. Damit werden bei aller Vielfalt auch ein Zug des Beständigen und ein Moment der Kontinuität im Bildschaffen dieses Künstlers deutlich.“3
Demzufolge lässt sich seine abstrakte Entwicklung in den 1960er Jahren mit den typografischen und collagenhaften Malereien und Grafiken begründen. Rödel entwickelte seine Bildsprache nach sorgfältiger Erforschung weiter, indem er Technik und Inhalt von seinen bisherigen Arbeiten ableitete4. Ebenso wie Rödel in der anfänglichen Mannheimer Zeit das Verfahren der Druckgrafik weiterentwickelte, lässt sich auch die Veränderung Ende der 1960er bis in die 1970er Jahre erklären. Aus seinen vielschichtigen geometrischen Farbfeldern mit gedruckten - und vereinzelt gekratzten und gepunzten handschriftlichen - Schriftzügen und Namen entstehen aus der Form heraus wieder figürliche Silhouetten. Die intensiven Farben verschmelzen mit den Konturen individueller Körper und Gegenstände. Es scheint, als hätte Rödel seine vorherigen überlagernden Farbfelder nach einem strengen Muster zu ordnen begonnen und die dynamischen Strukturen seiner typografischen Werke sortiert. Diese Kombination aus Figuration und Abstraktion ist als logische Konsequenz durchaus als seine bedeutendste Schaffensphase zu betrachten, die jedoch ohne die Weiterentwicklung und Loslösung von den anfänglichen hallensischen Grafiken mit den abstrakten Malereien undenklich gewesen wäre. Genau dieser Werdegang ermöglichte es letztendlich, dass Rödel in seinem Spätwerk bedeutende Kirchenfenster und Wandteppiche in figurativer Manier mit geometrischen abstrakten Formen erschaffen konnte.
Karl Rödels Kunstwerke, die auf unterschiedlichen Ebenen mit einem enormen Repertoire an Techniken und Kunstströmungen vielfältig erscheinen, stellen immer eine logische Entwicklung von einer Schaffensphase zur nächsten dar. Wenngleich die beiden Lebensabschnitte, die unterschiedlicher nicht sein könnten, geprägt von zwei divergierenden politischen Systemen, figürliche und abstrakte Malerei aufzeigen, so haben alle Strömungen und Phasen eines gemeinsam – Karl Rödel überzeugt mit handwerklichem Können und künstlerischer Kreativität. Zwei Eigenschaften, die Rödel in seiner Ausbildung an der Burg Giebichenstein lernte und ihn auch nach einem Vierteljahrhundert in Mannheim zum Burg-Künstler machen.
1 Sehrt, H. (1995). Karl Rödel – 1907 bis 1982 – Malerei und Grafik. Halle: Hallescher Kunstverein e.V.
2 Buderer, H.-J. (1989). Karl Rödel als Maler. In: Rödel-Neubert, R. (1989). Karl Rödel – 1907-1982. Elztal: Esther Appel. S. 9-15.
3 Ebenda.
4 Ebenda.
Karl Rödel in seinem Atelier in Mannheim 1966